Wirtschaftethnologie (3): eine berühmte Studie von Malinowski

Kula auf Trobriand

Ein berühmtes Beispiel für eine Tauschwirtschaft stammt von den Trobriand-Inseln. Das ganze Leben sei ein ewiges "give and take", wunderte sich Malinowski (1922). Wenn man zum Beispiel gleich nach der Ernte durch ein Trobriand-Dorf läuft, wird man grosse Berge an Yams vor den Eingängen säuberlich aufgestapelt sehen. Das ist nicht der selber geerntete Yams, sondern der, den sie von Verwandten (und eventuell von politischen Klienten) bekommen haben. Die Grösse des Hügels gibt Auskunft über die gesellschaftliche Bedeutung des Bewohners.

Ein grosser Teil der eigenen Yams-Ernte muss ein Mann gleich weiter geben - an seine Schwester und seine Mutter. Der Grossteil davon fällt ihrem Ehemann zu. Einige mächtige Männer brauchen gar nicht im Garten zu arbeiten, da sie genug Frauen, Kinder und Verwandte haben, von denen sie Yams bekommen. Manche lassen sogar Yams absichtlich in aller Oeffentlichkeit verrotten, um für neue Ernte Platz zu machen und zeigen, wie gut es ihnen geht.

Auf Trobriand gibt es eine Vielzahl an Tauschformen. Manche kennen wir ebenso, der Unterschied wird sein, dass diese Tauschformen auf Trobriand institutionalisiert sind und einen eigenen Namen haben. Der eben genannte Yams heisst Urigubu. Die Verteilung von Essen nach einer Beerdigung nennt man Sagali. Wasi ist der Tausch von Fisch gegen Gemüse zwischen Küsten- und Binnenlandbewohnern, Gimwali ist der unpersönliche Kauf und Verkauf.

Am bekanntesten ist der Kulahandel. Es handelt sich um einen Tausch von Prestigegegenständen: Armreifen (mwali) und Halsketten (soulava) aus Muscheln, die nur zu besonderen Anlässen getragen werden.

Der Handel erstreckt sich über ein grosses Gebiet von Inseln und hat komplizierte Regeln.

So zirkulieren die Gegenstände immer in entgegen gesetzter Richtung: die Halsbänder mit der Uhr, die Armbänder gegen die Uhr und werden jeweils gegeneinander getauscht. Die Gegenstände sollten genau den selben Wert haben.

Am wertvollsten sind die schönsten, die am weitesten gereist sind, mit denen sich die aufregendsten Geschichten verbinden, wer sie schon in der Hand gehabt hatte. Diese zu ergattern ist das Ziel von allen. Aus dem temporären Besitz lässt sich viel Ansehen gewinnen. Wenn ich so ein Ding hätte, würden sich viele Männer mit Geschenken um meine Gunst bemühen, mit ihnen zu tauschen. Geschichten würden um mich kursieren als einen erfolgreichen Kula-Händler. Kein Wunder, dass der Tausch oft in einem zeremoniellen Rahmen statt findet.

Wozu das ganze? Worum geht es eigentlich? Darüber ist immer wieder spekuliert worden. Sowohl Malinowski und besonders Annette Weiner, die in den 70er- und 80er-Jahren forschte, zeigen auf, dass das Kula ein Mittel ist, um Prestige und Berühmtheit zu erlangen. Besitzen heisst Ansehen zu geniessen - und damit auch Macht. Entscheidend auf Trobriand und vielen anderen Gesellschaften: Besitzen heisst, man muss auch geben können: "Hauptzeichen der Macht ist Reichtum, und Reichtum zeigt sich durch Grosszügigkeit" (Malinowski).

So gehört es zum guten Ton, beim Geben und Nehmen Gleichgültigkeit zu zeigen: "Man hat es ja."

Kula ist noch mehr. Es besiegelt Partnerschaften zwischen einzelnen Männern und zwischen ganzen Dörfern und Inseln, die weit voneinander entfernt liegen.

So handelt man immer mit den selben Leuten, oft das Leben lang. Je mächtiger ein Mann ist, um so mehr Partner hat er. Ein gewöhnlicher Mann wird einen oder zwei Häuptlinge aus seinem oder einem benachbarten Gebiet haben, mit denen er Kula treibt. Zwischen ihnen besteht ein Abhängigkeitsverhältnis. Der Mann wäre verpflichtet, ihnen zu dienen. Umgekehrt muss der Häuptling sich ihm gegenüber besonders freigiebig erweisen und ihm schützen.

Der Kula-Handel zwischen einzelnen Inseln ist mit besonders viel Festlichkeiten verbunden. Es werden extra Kanus gebaut und verziert. Partner in Uebersee, auf fremden Inseln, zu haben ist besonders wertvoll. "Der überseeische Gastgeber", so Malinowski, "ist Gastgeber, Beschützer und Bundesgenosse in einem Land voller Gefahr und Ungewissheit."

Kula bindet also ein grosses Gebiet zum einem Handelsnetz zusammen und fördert den Handel, der nebenbei immer stattfindet. Solche Zusammenschlüsse kennen auch wir, die EU ist mit ihren Bemühungen durch verschiedene Massnahmen, Europa zu vereinen, ein Beispiel.

Die Bedeutung des Kula hat sich historisch geändert. Die Kolonisierung durch Europäer erhöhte den Bestand an Waren und Wohlstand, mehr Männer und Frauen nahmen teil. Noch heute existiert der Tausch, wenn auch in teils anderen Formen. Motorboote ersetzen Kanus. Heute benutzen junge Trobriander mit wichtigen Positionen in Business und Politik das Kula, um ihre Karieere zu pushen.



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Lorenz Khazaleh, Januar 2001, November 2002, Ende Februar 2004.

:MENUE WIRTSCHAFTSETHNOLOGIE:


Teil 1: Einführung

Teil 2: Tauschformen

Teil 3: Kula auf Trobriand

Teil 4: Potlatch bei den Kwiakiutl in NW-Amerika

Teil 5: Moka in Papua Neu-Guinea

Teil 6: Pig and Cattle-Complex bei den Nuern im Sudan

Teil 7: Kapitalismus und Tiv-Oekonomie in Nigeria

» DRUCKVERSION (gesamter Text, 9 Seiten, 48kb)




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:MEHR IM NETZ ZUM THEMA:


The Magic of Kula - neuere Darstellung mit Bildern (ms-starship.com)

Der Kula-Handel mit in Bildern, historisch (art-pacific.com)

Karte ueber Kula-Gebiet

Wikipedia ueber den Kula-Ring

The Primitive Economics of the Trobriand Islanders by B. Malinowski Economic Journal, volume 31, 1921, pp. 1-16 (Originaltext!) (McMaster Univ, Dep of Economics)

Malinowski - eine kurze Biografie (Minnesota State University)

Annette Weiner (kurze Biografie) (Association for Social Anthropology in Oceania)

Uniarbeit über Annette Weiners Forschung über das Kula und die Trobriand-Inseln (Evamaria, Universität Basel, chocolatedream.net)