Gespräch mit A-Man und MC Poet (tafs) am 17. Dezember 1998
Sie waren auf vielen Jams zu sehen und haben schon zwei Platten
veröffentlicht. Die beiden MCs beweisen: 1. Hip-Hop lebt nicht nur in der
Stadt, sondern auch auf dem Land. 2. Nicht nur arbeitslose Ausländer,
sondern auch Schweizer Versicherungs-Angestellte können rappen.
MC Poet
holt mich von der Waldenburgbahn ab und führt mich zu ihrem Übungsraum -
zu einem Fabrikgebäude, kein leeres! Tagsüber werden hier Dieselmotoren
hergestellt. Wir gehen die Treppen hoch. Einer der vielen Türen führt in einen
nicht ganz gewöhnlichen Büroraum. Schummrige Beleuchtung begrüsst mich,
Graffiti an den Wänden und Zeitungsausschnitte mit der besprühten
Waldenburgbahn ("Kunstwerk für einen Tag"), eine Sitzecke mit Fernseher,
hunderte (tausende?) von Platten und ein gigantisches Mischpult mit fünf
Plattenspielern.
Wie seid Ihr an diesen genialen Raum
gekommen?
Poet:
- Wir haben alle Firmen angerufen und sie
gefragt, ob sie ein Proberaum für uns haben.
Und das klappt hier?
- Das klappt schon seit zwei Jahren, wir sind
15-20 Leute (WB-Massive). Die Sachen
hier haben wir alle selber zusammengetragen, jeder was er hatte. Wir haben
auch eine Gemeinschaftskasse, für Miete und Anschaffungen zum Beispiel.
Klappt das, weil Ihr etwas älter geworden seid?
- Nein, weil wir eine Gemeinschaft sind.
A-Man:
- Wir haben unser Ding gefunden. Viele Junge haben
Mühe damit, dass in dem Kaff so wenig passiert. Wir
sind hier so eingeschränkt. Noch mehr als früher, als
es in der Schule noch Discos gab. Die Schule hat auch
Musicals arrangiert. Bei den Discos habe ich gerappt,
das war geil! Zu der Zeit haben viele Junge gesungen,
da gab es viele Bands. Jetzt gibt es weder Musicals
noch Discos.
Wie ging es hier eigentlich mit Hip-Hop los?
Poet:
- 1990 tauchten die ersten Graffitis auf - in Hölstein und Langenbruck, die
erste Crew OBDP (one ball dog posse). Man traf sich im Jugendraum
Langenbruck, wir fanden einen Übungsraum, zwei kleine Räume in einer Hütte
vom Elektrizitätswerk Hölstein. Da haben wir gefestet mit viel Freestyle.
Später mussten wir die Lokalität wegen Lärmbelästigung wechseln.
Und wie seid Ihr zum Hip-Hop gekommen?
A-Man:
- Ich war so zwischen zehn und zwölf Jahre alt, als ich angefangen hab. Am
Anfang hat mir nur die Musik gefallen, mit der Zeit beschäftigte ich mich auch
mit der HipHop-Kultur. Meine Kollegen MC Shape (von Wrecked Mob) und
Poet habe ich auf einem Open-air kennen gelernt, TAZ 1996 in Liestal. Über
Shape hat er DJ Dinos getroffen, der in seinem Wettinger Homestudio Beats
produziert.
Ich weiss noch, ich war der einzige in der Schule, der sich für
Hip-Hop interessierte. Ich hab Breakern im Fernsehen nachgeturnt. Eigentlich
hat es in diesem Raum richtig angefangen. Da habe ich rappen gelernt und
habe mich mit Poet und Shape getroffen. Ja, nach und nach hab ich mich richtig
in Rap verliebt. Es wurde etwas, ich weiss nicht, etwas Heiliges.
Poet:
- Ja, damals kamst du rein und konntest schon rappen (lacht)! Ich habe vorher
ein paar andere rappen gesehen in Luzern und Basel und dachte "Geil!". 1995
habe ich in einer Band mit Schulkollegen geübt. Da kam Feeling rüber!
Angefangen hat es bei mir 1992, das war als MC Black Tiger als Erster auf
Schweizerdeutsch gerappt hat.
Und tafs?
A-Man:
- Wie gesagt, wir sind 1996 zusammengekommen, unser erster Auftritt war im
November 96 in Wohlen. Da hiessen wir noch Tazulu
... ah, wegen Zulu-Nation....
- Ja, dann kamen wir auf Tafs(quad), squad ist so was wie Crew oder Posse -
Rapgruppe. T steht für taz, A für A-Man.
Und erinnert auch an tough?
- Genau. Unsere nächsten Auftritte hat uns Black Tiger im Sommercasino
verschafft.
Was macht Ihr sonst? Jobs? Schule?
Poet:
- Ich arbeite in einer Versicherung, in der Risiko-Prüfung für Unternehmen,
Vollzeit, ausserdem noch in unserer Plattenfirma WB-Tal-Records, die ich für
die Veröffentlichung meiner eigenen Produktionen gegründet habe.
A-Man:
- Ich bin im zweiten Lehrjahr Zimmermann. In einem Jahr bin ich fertig.
Wie findet ihr Basel - eine attraktive Stadt?
Poet:
- Hm, an der unteren Grenze, das Atlantis ist alteingesessen, bietet wenig
Neues. Die Kuppel wurde zur Standard-Disco. Steinen mag ich nicht. Es gibt
wenig Parties, wo gerappt wird. Wenn, dann bin ich in der Kuppel, donnerstags,
wenn es Funk gibt. Im Hirschi, in der Kaserne oder im Sommercasino gibt es
interessante Konzerte.
A-Man:
- Basel ist weit weg. Ich schau am liebsten in ACE's Plattenladen rein oder ins
Roxy.
Was vermisst Ihr in Basel?
Poet:
- Einen Club mit gutem Sound...
A-Man:
- ... wo man 'duurekeie' kann.
Wie ist das. Rap ist nicht automatisch Hip-Hop, oder?
Poet:
- Nein, vor allem nicht der Rap aus der Retorte, der in den Charts ist, wo
Leute, die keine Ahnung von Hip-Hop haben, wild zusammengewürfelt werden,
nur von Liebe rappen und nur in die Charts wollen. Hip-Hop ist eine Kultur,
und Rap nur ein Teil davon (zeichnet den "Hip-Hop-Mengenkreis" auf: ein
Kreis mit viergleich grossen Teilen: DJ-ing, Graffiti, Breakdance und Rap).
Das neueste Album von Sens Unik ist ja recht kommerziell.
A-Man:
- Bei ihnen weiss man aber, was dahintersteckt.
Poet:
- Eben. Nicht nur erzählen, machen! Darum geht es. Sie haben die richtige
Einstellung. Dicke Jacken und Boots reichen nicht.
Ihr seid ja schon auf zwei Platten vertreten.
- Ja, eine haben wir zusammen mit Kollegen aus Chur und Luzern und Zug
zusammen gemacht. Wir wollten zeigen, dass die verschiedenen Dialekte
zusammenpassen. Die andere ist eine EP mit u.a. Kalmoo, Black Tiger und
Shape. Zuvor veröffentlichten Dinos und ich im 97 die "Exklusiv Maxi", die
heute Kultstatus hat.
Worüber rappt Ihr da?
- Die Krieger kommen zurück in die Vorstädte - Respekt für die Old School.
Nicht einseitig sondern vielseitig interessiert sein usw. In Raps reden wir über
uns - auf Dialekt, damit man uns besser versteht.
Da habt Ihr grossen Einfluss auf die anderen.
- MCs sagen, was sie von anderen erwarten. MCs sagen auch, was Hip-Hop
ist. Es geht aber nicht um die Message, sondern um Leute zum Mitdenken zu
bewegen.
Wie sind die Nationalitäten hier so verteilt? Ihr seid ja beide Schweizer.
- Unter den MCs gibt es sehr viele Schweizer, unter den Tänzern sind
eigentlich fast nur Ausländer. Unter den Sprühern gibt es viel Austausch, da ist
es Multikulti, bei den DJs auch. Shape z.B. ist ein Drittel Deutscher,
Schweizer und Sizilianer.
Man liest, es seien nur Ausländer in der Hip-Hop-Szene...
A-Man:
- Das stimmt nicht, wir sind eine neue Generation.
Wisst Ihr was? Nach einem Interview kam es mir vor, Hip-Hop sei eine Art
Religion mit dem Jam als Gottesdienst und dem Rap als Predigt. Hip-Hop sagt
dir, was richtig und falsch ist, gibt eine Perspektive fürs Leben mit. Jeder ist
mit der HipHop-Ideologie vertraut und kennt die Geschichte.
"Hier, hör", sagt A-Man und legt eine Platte von SPAX auf: ein Rap über
Hip-Hop als Religion mit dem Jam als Gottesdienst - ich war verblüfft!
Da ich schon mal in der Nähe des Mischpultes stehe, meint DJ Tim, ich solle
mich doch auch in der Kunst versuchen. "Ja, du kannst dazu jede Platte
nehmen", meint er. "Die Nadel ist auf beiden Seiten geschliffen. Gefällt Dir
Reggae?", fragt er mich und legt diese Beats unter den Hip-Hop-Sound.
Man
reguliert die Balance (rechts-links-Turntable) und mischt die Beats. Manche
Sounds sind mit Klebestreifen auf der Platte markiert. Man muss genau neben
dem Kleber aufsetzen, dann kommt der gewünschte Klang. Ich probiere es.
Hey, macht Spass!! Genial! Zum Scratchen fehlt mir aber noch (viel!) Übung!
(und mehr Schwung!) Poet und A-Man rappen noch schnell ein paar
Freestyles. Wechseln sich ab - es wird ein richtiger Dialog - oft ohne viel Sinn,
denn man hat nicht viel Zeit zum Überlegen. Von meinen Misstönen am
Mischpult lassen sie sich jedenfalls nicht abbringen!
Track von der während meiner Feldforschung veröffentlichten Platte mit A-Man und MC Poet, die ich mir auch besorgte und oft und begeistert hörte