Muss man denn immer auf Englisch rappen? Warum nicht auf Baseldeutsch?
Dann versteht wenigstens jeder, was man erzählt. 1991 sorgte Black Tiger
noch für Furore in der Szene, als er als Erster auf Mundart rappte, jetzt ist
Dialekt im Hip-Hop so selbstverständlich wie in der Volksmusik.
Tiger zählt
zu den besten Rappern in der Szene. Seine Gruppe Skeltigeron hatte kurz vor
dem Interview einen Nachwuchswettbewerb unter Schweizer Bands anlässlich
der 150-Jahr-Feier der Schweiz gewonnen. Tiger engagiert sich für die Szene,
organisierte unter anderem eine Anti-Drogen-Aktion ("Wake Up"), war aktiv
in der Hip-Hop-Vereinigung "B4R" und spielte im Hip-Hop-Stück GleisX
mit.
Ich rief an, um den Interview-Termin mit ihm vorzuverlegen. Erst eineinhalb
Stunden später legte ich wieder auf. Er fragt mich nach dem Ziel meiner
Forschung. Ich antwortete: Die Hip-Hop-Kultur mit der Stadt Basel in
Verbindung bringen. Es geht um die Situation von jungen Leuten in Basel.
Black Tiger erklärt:
- Also das Hauptproblem ist Geld für Projekte. Es ist
ein harter Weg, aus einer Idee etwas zu machen, eine
Organisation oder eine Plattenfirma. Ich habe lange
daran gearbeitet. Fünf Jahre, ohne etwas zu
veröffentlichen. Zweieinhalb Jahre lang habe ich
jeden Tag, ich übertreibe nicht, Beats zusammen
gemischt. Dann wurde ich unzufrieden, habe das
Aufnehmen abgebrochen und versuchte neue Wege zu
finden.
Ich bekam ein Engagement im Theater Basel
im Stück Vinny von Klaus Pohl, wo ich Texte gerappt
habe. Das war eine Startchance für mich, um an Geld
zu kommen, das ich auf die Seite legen konnte. Ich
habe gespart, bis ich genug für eine Ausrüstung, einen
Sampler für mehrere Tausend Franken, zusammen hatte.
Viele haben Ideen für Projekte. Sie müssen erst mal Geld zusammensparen um
nicht abhängig zu sein von Leuten, die die Infrastruktur haben. Es ist extrem
wichtig, dass es für Hip-Hop ein eigenes Studio gibt und auch Jüngeren zur
Verfügung steht, gerade für neue Gruppen, die noch nicht soviel Geld haben.
Im Tanzbereich ist es so, dass Tanzflächen fehlen. Allerdings wird auch nicht
überall trainiert, wo man könnte. Das liegt wohl an Fehlinformationen.
Beim
Sprühen geht es immer noch ab, obwohl durch die Polizei viel zerschlagen
wurde. Jedoch nicht alles. Das Niveau ist nicht besser geworden. Viele Gute
haben aufgehört, und die Jüngeren kopieren nur. Jeder muss erst seine Anzahl
Jahre haben. Viele fangen an, ohne viel zu können und sprühen blindlings die
ganze Stadt zu. Das verschlechtert dann unser Image.
Der DJ-Bereich floriert am meisten. DJs sind sehr angesagt. Allerdings
bekommen sie längst nicht so grosse Gagen wie Techno-DJs, die Tausende an
einem Abend verdienen können. Basel ist auch keine Metropole. Wir haben
hier zwar eine starke Untergrundkultur. Zürich ist jedoch die internationale
Metropole. Die grossen Rapgruppen kommen nach Zürich und nicht nach
Basel. Zürich ist auch die Metropole, was Geld, Platten und Medien angeht.
Alle grossen Medien sitzen in Zürich oder in Bern. Dabei kommt Basel oft zu
kurz. Allerdings ist auch in Basel jetzt einiges am Laufen. Die Zeit wird immer
reifer ....
Aber profitiert Basel nicht auch durch seine Grenzlage zu Frankreich und
Deutschland?
- Wir haben nur spärlichen Kontakt. International ist Basel auch, aber nicht im
Hip-Hop-Business. Zürich ist das Zentrum aller modernen Musikrichtungen.
Es liegt auch am Flavour einer Stadt. Wenn viele internationale Acts in die
Stadt kommen und man als Vorgruppe spielen kann, ist das Niveau gleich ganz
anders.
Verstehst Du, was ich meine? Dann ist auch die Bereitschaft grösser,
sich zu verkaufen. Man hat bessere Möglichkeiten. In Basel ist man nicht so
aktiv, was Marketing betrifft, vor allem auf die ganze Schweiz bezogen. Hier
zieht man sich mehr zurück auf die Stadt. Was die Internationalität für die
Schweiz betrifft sind die drei, vier Sprachen schon eine Besonderheit. Das
ergibt komische Konstellationen. In Lausanne und Genf schaut man in
Richtung Paris, wir dagegen mehr in Richtung Deutschland.
Deutschland? Nicht in die USA?
- Ja, klar ist die USA die Nummer Eins, das ist sie ja auch in Frankreich und
Lausanne. Businessmässig hat es aber Deutschland gepackt. Da gibt es eine
grosse Szene, Plattenfirmen, da gibt es Leute, die zu 100 Prozent von Hip-Hop
leben. In der Schweiz kann fast niemand vom Hip-Hop leben. Dazu ist die
Schweiz zu klein. Allerdings steckt alles zur Zeit (April 1998!) in den
Startlöchern. Mit Baselland ist ein Projekt im Mai in Aussicht, aus Bern und
Zürich haben wir Anfragen zu Samplern bekommen.
Hip-Hop besteht für mich aus den vier Elementen MCing, Sprühen, DJ-ing und
Breakdancen. Ich weiss nicht, was Du zur Geschichte des Hip-Hop weisst. Es
ist ja afro-amerikanischen Ursprungs, kommt vom Geschichtenerzählen der
Griots, eigentlich aus Afrika importiert, auch der Wettbewerb ...
... Den Wettbewerb, den Bambaata genutzt hat...
- ... um Kreativität statt Gewalt durchzusetzen, ja. Hip-Hop dreht sich immer
um Wettbewerb, um die Frage: Wer ist der Beste? Doch je länger du dabei
bist, umso mehr wird dir bewusst, dass es eigentlich keinen Besten gibt,
sondern nur sehr viele Gute und sehr viele verschiedene Stile.
Du brauchst, ich weiss, das klingt für Aussenstehende vielleicht etwas
komisch, eine gewisse Coolness, eine easy Haltung, eine Relaxtheit, die
Überzeugung, dass man gut ist. Man hebt sich mit etwas hervor, von dem man
weiss, dass man darin gut ist, mit etwas das man beherrscht, woran man
gearbeitet hat. Um sich vorzustellen und sagen "Ich hab skillz".
Ich hab nie richtig an Battles mitgemacht. Das macht man in Basel auch kaum,
nicht so wie in Zürich. Die gehen auch nicht immer friedlich ab. Ich habe nicht
darüber gerappt "Ich bin der Beste", sondern über Sprühszenen, von
Verfolgungen von der Polizei, über Drogen und Rassismus. Ich bekam dann
allerdings schnell das Image des Anti-Drogen-Rappers, des Politisch
Korrekten. Ich hab nicht dieses Konkurrenzdenken "Ich bin der Beste",
sondern eher "Ich bin gut und kann das zugeben".
Wie bist Du eigentlich zum Hip-Hop gekommen?
- Durch meine Mutter. Sie wollte mich in den Film Wild Style mitnehmen. Aber
damals wollte ich noch nicht. Sie hat mich dann ins Gewerbemuseum
geschleppt wegen einer Graffiti-Ausstellung. Da hats Peng gemacht. Ich
begann mit meinen ersten Graffiti-Skizzen, ich hörte viel Grandmaster Flash
und Kurtis Blow. 1984 habe ich begonnen, Texte nachzurappen, 1987 habe ich
meine ersten Texte geschrieben. 1989/90 bin ich in die Szene rein und habe in
der Line gesprüht. Da habe ich viele Leute getroffen.
Erst dann? Wieso hat das solange gedauert?
- Ich bin keiner, der sich anbiedert, und meine Kollegen waren keine
Hip-Hopper. Das war ein Deal mit meiner Mutter, nicht vorher mit dem
Sprühen anzufangen.
Wann war Dein erster Auftritt als MC?
- 1991, das war bei einem Graffiti-Happening als Gastrapper bei P-27, mit
denen ich auf dem Fresh-Stuff-Sampler erschien. Ich war da der Erste aus der
Hip-Hop-Szene, der auf Schweizerdeutsch gerappt hat. Das war der
Startschuss für den Schweizerdeutsch-Rap. Auf dem Fresh-Stuff-3-Sampler
war dann fast jeder Rap auf Schweizerdeutsch.
Ich rappe nicht aus
Patriotismus auf Schweizerdeutsch, sondern weil Schweizerdeutsch meine
Muttersprache ist. In Basel gibt es auch Leute, die auf griechisch, italienisch,
spanisch und französisch rappen.
Murder by Dialect - zum ersten Mal ein Rap auf Schweizerdeutsch
Man liest immer wieder, Hip-Hop sei eine Minderheitenkultur, gut für Leute,
um ihren Frust abzulassen. Scheint mir aber gar nicht so.
- Die meisten sehen sich nicht als Gewinner in der Gesellschaft. Als Musiker
werden sie auch belächelt, Hip-Hop ist in der Schweiz nicht so anerkannt wie in
Deutschland. Hip-Hop solidarisiert. Hip-Hop ist eine Therapie. Und zwar für
alle, die ihn betreiben. Man wird nämlich automatisch besser mit der Zeit,
wenn man daran arbeitet. Wenn ich den Schritt nicht kann, arbeite ich daran.
Es braucht viel Fleiss, aber auch Talent. Hast du beides, wirst du gut. Das ist
oft ein langer Weg. Deshalb ist auch die Hierarchie im Hip-Hop so stark. Die,
die länger dabei sind, werden von den Jüngeren herausgefordert. Es ist ein
ewiges Messen. Das Niveau wird dabei tendenziell immer höher. Wir haben
bei Null angefangen. Als wir angefangen haben, gab es noch keinen Schweizer
Rap. Die Leute haben uns angeschaut: Schweizer Rap? Für Junge ist es heute
legitim. In Deutschland ja auch.
In Frankreich aber schon länger, oder?
- Ja, Frankreich war auch massgebend für uns. Ich war in Paris in 1987/88, da
habe ich in einer Disco eine Rapgruppe gesehen, die hat auf französisch
gerappt. Und das Publikum hat mitgerappt. Das war das Erlebnis. Die können
die Texte - Wow! Das ist doch, was Rap sein sollte. Deshalb rappen wir ja,
damit es das Publikum versteht - und reagiert - mit einem Gegenrap, wenn
jemand nicht einig ist. Das ist afro-amerikanische Kultur. Im Soul und im Blues
hat man auch solche Lieder, im Pop gar nicht. Dieses Frage-Antwort-Spiel hat
man inzwischen höchstens vom Hip-Hop übernommen.
Ich glaube auch, dass
das ein Grund gewesen sein könnte, weshalb wir (Skeltigeron) den
Nachwuchswetttbewerb gewonnen haben. Wir haben mit dem Publikum
geredet. Im Pop sagt man nur "Das nächste Lied heisst...", verstehst Du?
Das ist mir auch bei Eurer Party aufgefallen mit Luana (Chéjah) ...
- Das wird man auch sehen bei unserer Party am 9. Mai 1998. So viele Rapper
hatten wir noch nie auf einer Bühne in Basel. (...)
Zur Therapie. Hip-Hop ist eine Therapie für alle. Man reflektiert darin, was
man macht. Die Leute sehen dich, können dich kritisieren. Du musst Kritik
ertragen können. Wir geben zu, dass wir gut sind. Wir wollen nicht in der
grauen Masse verschwinden, wollen unser eigenes Monument erschaffen,
zeigen, wer wir sind.
Das erzeugt natürlich enormen Druck, Leistungsdruck.
Ich glaube auch, dass deshalb so wenige Mädchen dabei sind. Nicht weil sie
die Leistung nicht erbringen können, sondern weil das ihnen, glaube ich,
einfach zu blöd ist. Es gibt auch sehr viele Arrogante, die sagen, du kannst
nichts, geh heim üben.
Die verwechseln etwas. Ich bin erzogen worden, vor jeder Person, die ich nicht
kenne, Respekt zu haben. Ein Schüler sagte einmal zu mir: "Die Leute finden
mich besser als dich." Im ersten Moment war das ein Schlag ins Gesicht. Dann
dachte ich: Na und? Wäre doch langweilig, wenn wir alle denselben
Geschmack haben. Ich arbeite an mir, weil ich Ehrgeiz habe. Das verwechseln
viele mit dem Leistungsdruck im Hip-Hop.
Hip-Hop wird von den Leuten getragen, die konsumieren. Das Publikum ist
wichtig. Wir leben vom Publikum, das müssen wir eingestehen. Hip-Hop
entstand in Europa in einem geschlossenen Kreis. Breakdancer, Sprayer und
DJs waren im Publikum. Da war jeder aktiv. So hat das begonnen, das kennt
heute kaum mehr einer zwischen 14 und 18 so. Sie kennen Hip-Hop von Viva.
Dort hören sie zum ersten Mal von der Old School, von Grandmaster Flash.
Jede Generation hat ihre eigenen Vorbilder. Man braucht ein Verständnis für
Geschichte. Das gilt auch für Hip-Hop. Dass man weiss, wem wir Hip-Hop zu
verdanken haben. Das ist wichtig zu wissen. Das Rappen von Grandmaster
Flash und der Old-School war sehr einfach, heute gibt es so viele Facetten. Die
Rhymes werden immer ausgefeilter. Der Groove wird flüssiger, breitet sich in
alle Richtungen aus. Darauf wird extrem geachtet.
Nur die Leute bekommen
props (respect), bei denen das stimmt. Zum Beispiel Maximilian von
Freundeskreis. Freundeskreis mag man auch im Untergrund.
Es gibt auch
Elemente, bei denen sich die Geister scheiden. Fettes Brot zum Beispiel ist für
manche nicht ernst genug. Ich dagegen finde es gut, wenn man eben nicht alles
allzu ernst nimmt. Rap sollte mehr sein als nur Selbstdarstellung.
Politisch?
- Politisch, sozialkritisch, zwischenmenschlich, Hip-Hop sollte eine Botschaft
haben.
Du hast noch nicht aufgegeben, Botschaften zu vermitteln?
- Botschaften muss man verpacken, auf die coole Art. Die Leute wollen einen
guten Beat, nicht unbedingt eine Message. Aber einen Beat und eine Message
zu haben, danach streben alle. Auf meiner Maxi habe ich mich mehr auf die
Texte als auf die Reimtechnik beschäftigt. Das zu verbinden ist die
Schwierigkeit. Gute Beats zu haben, Rhymes und eine Message, das ist das
Essentielle. Und seinen eigenen Style: Ich kombiniere Alt und Neu und bleibe
dennoch bei meinem Style.
Rap schafft Klarheit. Wenn Du sagst, "ich sags dir
übers Mikro, du bist Scheisse, weil du's nicht bringst."
Deshalb habe ich auch auf meiner Maxi eine Rapgruppe gedissed. Eine
Rapgruppe (Three Trees) hat viel über Greenpeace und Umweltschutz
gerappt. G Punkt rappte dann "Ich fahre so lange mit dem Auto herum, bis es
keine drei Bäume mehr gibt. Dazu haben sie noch sehr schlecht gerappt, so
dass man sie eigentlich nicht ernst nehmen kann. Jetzt musste ich sie aber mal
dissen, musste ihnen sagen "Ich finde Euch Scheisse und mache das in der
ganzen Schweiz bekannt".
Es geht um die Sache des Hip-Hop, die geklärt
werden muss. So etwas verkauft sich dann noch als Schweizer Hip-Hop!
Wir sind eine eigenständige Subkultur und machen unser eigenes Ding. Wir
wurden ausgegrenzt in Basel, von den Rockern. Da stand auf Plakaten, wir
spielen nur gute Musik, keinen Rap. Da haben wir gesagt, wir brauchen Euch
nicht. So ist das Selbstbewusstsein gestiegen. Deswegen ist es mir auch nicht
so wichtig, dass wir vor einer Rockjury gewonnen haben. Verstehst Du das?
Ihr habt es nicht mehr nötig.
- Nein, das wäre arrogant. Wir sind bereits respektiert bei Leuten, die
Hip-Hop gern haben. Das ist schwierig zu erklären. Wir haben nie auftreten
dürfen, deshalb haben wir etwas Eigenes organisiert, eine eigene Szene.
Als MC auf der Bühne hast Du Macht. Dir hören sie alle zu. Mit deinen
Botschaften sagst du, was Hip-Hop ist. Ist das so?
- Die Rolle der MCs darf man nicht überbewerten, aber auch nicht
unterschätzen. Rapper sind intelligente Leute, können mit Sprache umgehen
und sind sich ihrer Rolle bewusst. Doch Hip-Hopper mögen nicht das
Theoretisieren. Sie bilden sich selbst ihre Meinung, die Texte sind nicht so
wichtig. Allerdings kann man doch als Musiker mehr erreichen als ein
Politiker, wenn man an Bob Geldorf und Live-Aid denkt.
Und an Euer Wake Up!?
- Ja, die Politik reagiert immer erst viel zu spät. Wir wurden damals immer
ausgelacht, als wir über Drogen und Ghetto gerappt haben. Das sind alles
Sachen gewesen, die wir vorausgesehen haben. Die Politiker sagten immer
"Na, seid mal nicht so krass. Ihr seid doch nicht aus dem Ghetto." Jetzt ist
Heroin aus dem Hip-Hop-Milieu verbannt. Du bist Aussenseiter, wenn Du
Heroin nimmst. Das hat Wake Up bewirkt.
Wie kam Wake Up in Gang?
- Das war Luanas Idee. Sie nahm Kontakt auf mit dem Verein für
Gassenarbeit. Dann wurde ein Rap geschrieben, ein Auftritt folgte und ein
Konzert auf dem Barfi. Leute, die Heroin genommen hatten, waren auch da.
Das war ziemlich hart. Dann wurde ein Sampler gemacht, der
Präventionssampler. Darauf folgte eine Tournee durch die ganze Schweiz. Es
war hart. In jeder Stadt sagten sie "Bei uns ist es Scheisse". Auch in Chur und
in anderen Orten, wo wir es nicht erwartet hatten, nahmen Leute Heroin.
Wichtig finde ich aber, dass man nicht mit dem Zeigefinger daherkommt,
sondern Leute zum Denken animiert.
Hip-Hopper unterhalten also und engagieren sich gesellschaftlich.
- Ich habe ein Problem mit reiner Unterhaltung. Wenn man das Wort
zerpflückt, dann heisst es eigentlich "unten halten" (zeigt: drückt jemanden
bildlich nach unten). So wie Brot und Spiele der Alten Römer. KRS-One
sagte deshalb, er mache "Edutainment": Education (Bildung) und
Entertainment (Unterhaltung) gleichzeitig. In Frankreich ist Hip-Hop
besonders in den Banlieus stark. Man rappt von seinem Quartier, von seinem
18. Pariser Arrondissement, in New York von der Bronx oder in Stuttgart von
"Benztown".
Das macht für viele Hip-Hop so toll: Man lernt andere Städte
kennen. Da entsteht eine Weltoffenheit, weil jeder von seiner Umgebung
erzählt.
Chuck D sagte, Rap ist CNN für Schwarze. Rap schärft das Bewusstsein: Man
fragt sich: Wer bin ich? Woher bin ich? Das hat nichts mit Nationalbewusstsein
oder so zu tun. Im Gegenteil. Einige haben sogar einen Komplex, weil sie nur
Schweizer oder Deutsche sind. Darum fühlen sich so viele zum Hip-Hop
hingezogen. Es ist global und lokal. Genauso wie viele Leute der zweiten und
dritten Generation - sie sind auch "weder-noch".
Im Hip-Hop kannst du dich entwickeln, egal woher du kommst. Rassen- und
Klassenunterschiede existieren nicht. Dafür geht es halt um die Frage: Wer ist
besser? Eine Anarchie gibt es nicht, man baut sich immer wieder ins System
ein. Im Unterschied zu den Punks zum Beispiel reden wir über Zukunft, Geld,
Überleben und Gut-Leben. Revoluzzern ist nicht unser Ding. Hip-Hop hat viele
konservative Elemente, dessen sind sich viele nicht bewusst. Viele denken
links, wollen aber nicht viel mit Linken zu tun haben, sind zum Beispiel für
erleichterte Einbürgerung. Aber auch nur, weil es sie selber betrifft.
Ein Problem ist ja sicherlich die Kommerzialisierung. Eine zweischneidige
Sache?
- Ich finde, Kommerz ist cool. Ich gönne es jedem, wenn er davon leben kann,
was er mag. Da habe ich Respekt. Wenn jedoch jemand kommt und das nur
macht, damit andere ihn cool finden und er Geld machen kann, dann bekomme
ich Probleme. Sorry, das ist "Sell-out", er verkauft sich und seine Seele.
Deshalb heisst der Track auf der Maxi "Sell out suckers".
Verkaufen zu
wollen ist doch legitim. Ich will nicht im Untergrund sterben. Ich mache es, weil
es Spass macht. Mit CH-Rap kann man nicht viel Geld machen. Man sagt
schnell Kommerz und meint in Wirklichkeit Sell-out. Jeder arbeitet daran, dass
er davon ernten kann, was er macht. Das war früher auch schon so. Respekt
gilt allen, die es geschafft haben uns sich treu geblieben sind.
Welche Unterstützung braucht Jugendkultur?
- Man soll nicht nur fordern. Ich habe alles selber aufgebaut. Was fehlt, sind
gute Räumlichkeiten. Ein Freiraum. Etwas, das Leute von der Strasse holt.
Das Jugi Gundeli zum Beispiel ist cool. Wenn das die ganze Zeit offen wäre!
Ateliers und Studios brauchen wir. Die kann man sich nur leisten, wenn man
arbeitet. Legale Wände brauchen wir auch. Es wäre schön, wenn Veranstalter
Einheimische im Vorprogramm auftreten lassen würden.
Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
- Ende April 99 höre ich auf im Roxy. Was ich dann mache, weiss ich noch nicht
genau. Konzerte geben, Sprühen, DJ-ing, Schauspieler sein? Auf jeden Fall will
ich nicht mehr 100% arbeiten. Das killt Kreativität.