Gespräch mit Kron am 13. Januar 1999 im Jugi Gundeli
Kron ist Sprüher. Er ist mir im Jugi Gundeli als einer der besten Basels
vorgestellt worden. Er ist viel unterwegs, deshalb war ich froh, einmal mit ihm
abmachen zu können. Um das Jugi herum sind an allen Wänden Graffitis zu
sehen. Freien Raum gibt es nicht mehr. - Übersprühen darf man nur, wenn
man qualitativ besser ist, erklärt mir Kron, nachdem ich ihn gebeten hatte, mir
ein paar Graffitis zu erklären. - Man sieht gut, wer schon länger dabei ist, sagt
er. Man kenne sich in der Szene, die gut 100 Writer umfasst. Kron ist stolz
über die Qualität der Basler-Graffiti-Kunst. Sie sei in Basel höher als in
Zürich. Er zeigt auf ein Werk in der Wand mit einfachen schwarz-silbrigen
Linien.
- Das ist Streetbombing, wie sie es in
Zürich machen. Kein Style, das ist nur
billig. Und alle machen das nach. Sie
benutzen Unterbodenschutz- und
Teerspray. Kennst Du die Line in der
Zugeinfahrt zum Basel SBB? Hin- und
zurück ist auf zehn Kilometer alles voller
Graffitis. So etwas gibt es nicht in Zürich.
Das ist alles illegal nachts gesprüht
worden. Das ist Qualität. Niemand traut
sich, es zu zerstören. In ganz Europa ist
die Line bekannt. Sprüher kommen von weither, um sie sich anzuschauen. Das
ist die Hall of Fame!
Was ist eine Hall of Fame?
- Ein Platz, wo aufwendige Bilder hoher Qualität entstehen.
Wo gibt es in Basel noch Halls of Fame?
- Am Gartenbad Bachgraben. Sie ist legal. Dann noch am Schänzli (St.Jakob).
Die Qualität ist da aber nicht so hoch. Ein Problem in Basel ist, dass es nur
wenige legale Wände gibt. Man muss illegal sprühen.
Seid Ihr zumindest an manchen Orten geduldet?
- Jetzt ist es extrem. Die Polizei macht Razzias daheim bei Sprühern, bei
Anti-Graffiti-Kampagnen (Color Peace), wo sie uns an ein paar Tagen freie
Wände in St.Jakob gaben, wimmelte es von Polizisten, die schauten, wer da
zum Sprühen kommt. Sprüher werden kriminalisiert, da reichen Gerüchte. Das
ist richtiger Psychoterror. Man darf die Wände nicht mal selber überstreichen
wie in anderen Städten. Man muss die vollen Kosten zahlen, 10'000 Franken
für eine Wand, dazu Gerichtskosten, Bussen. Manche kommen in den Knast.
Man wird kriminalisiert. Das erzeugt natürlich Gegengewalt. Graffiti kann man
nicht verbieten. Graffiti ist Kunst. Das Problem ist, dass es keine legalen
Wände gibt.
Eine dumme Frage. Warum müssen denn Graffitis unbedingt draussen sein?
- Im Stucki hatten wir drinnen gesprüht. Ich wäre froh, wenn wir drinnen
sprühen können, gerade im Winter oder wenn es regnet. In Paris haben wir
auch in alten Lagerhallen gesprüht.
Aber dann kann ja niemand die Bilder sehen. Ist das nicht wichtig, dass man
sie sieht?
- Ich mach sie für mich. Wen die Bilder interessieren, schaut sie ohnehin an.
Bist Du schon mal erwischt worden?
- Ja, einmal ganz übel. Ich bin wie ein Einbrecher verfolgt worden.
Wie kommst Du ins Bahngelände?
- Es gibt genug Eingänge.
Arbeitest Du ganz nah an den Schienen?
- Meist ist um die vier Meter Platz. An der engsten Stelle eineinhalb Meter.
Es ist noch nie einem Sprüher etwas passiert.
Sprühst Du auch in anderen Städten?
- Ja, besonders im Sommer bin ich an fast jedem Wochenende woanders: in
Bern, München, Stuttgart, Heidelberg, Lörrach, Freiburg, Paris, Zürich, Genf,
Biel, Bern, Luzern. Ein gutes Feeling. Man trifft Kollegen, ist viel auf
Besuchen.
Wie sind die anderen Städte zum Sprühen im Vergleich zu Basel?
- In Frankreich ist Graffiti verboten. In Paris sind sie in der Banlieu geduldet.
Es gibt keine legalen Wände, wir sprühen in halb abgerissenen Häusern und
Fabrikgebäuden. In Heidelberg gibt es ein paar Wände, in Genf gibt es viele
geduldete Wände, aber da sprühen nur wenige. In Basel ist es schon extrem
mit der Line. Da kommt keine andere Stadt heran. Die Basler nehmen das
Sprühen ernster. In Genf sprühen sie eher just for fun. Was sie in einem Jahr
sprühen, sprühen wir in einem Monat. Viele sind auch älter, so zwischen 20 und
30. In Deutschland himmeln die Jüngeren die Stars oft an. So etwas gibt es in
der Schweiz nicht. Die Sprüher an der Basis nehmen es ernster. Deshalb
kommen viele aus Deutschland gerne in die Schweiz. Sie sagen, "Ihr habt die
richtige Einstellung".
Gibt es im Sprühen auch Battles?
- Das geht via Übersprühen. Das pusht an. Das lässt sich auch nicht wie
Breakdance kommerzialisieren.
Bekommt Ihr ab und zu Sprüh-Aufträge?
- Es gibt nur wenige Aufträge, das ist in Deutschland besser. Die Medien
haben die Lage noch verschlimmert. Die Leute trennen nicht zwischen guten
und schlechten Bildern. Sie werfen alle jungen Leute in einen Topf. Graffiti ist
für mich keine Kunst, sondern eine Ausdrucksform. Graffitis sprüht man
eigentlich nicht auf Leinwand und stellt es in Galerien aus. Graffiti ist nichts
anderes als seinen Namen zu schreiben, sich mit Buchstaben auseinander zu
setzen.
Und wie verhält es sich mit diesen Bildern da (zeige), den Eiffelturm zum
Beispiel?
- Das ist ein Character. Beim Graffiti schreibst du nur deinen Namen. In den
60er- und 70er-Jahren hat das angefangen. Der Mensch hat schon immer ein
Bedürfnis dafür gehabt. Man ritzt seinen Namen in einen Baum ein zum
Beispiel. Man möchte raus aus der Anonymität.
Was meinst Du damit?
- Man möchte zeigen, dass man etwas erreicht hat. Ich habe etwas gemacht,
ein Ziel verfolgt. Ich habe etwas gemacht, was nicht alle können. Wir
distanzieren uns von den normalen Leuten, vom Konsumentsein. Für mich ist
das Selbstbestätigung. So hat das angefangen. Man schreibt, ich war hier: Das
sind Tags. So hat es sich weiterentwickelt, dass Bilder daraus wurden. Heute
ist man soweit, dass grosse Bilder mit einem Sinn dahinter entstehen.
Zum Beispiel?
- Im St.Jakob hab ich mit Sprühern aus Paris ein Konzeptbild über Helloween
gesprüht. Wenn man hinschaut, sieht man die ganze Geschichte des Festes,
wie die Leute feiern und so weiter.
Du sagst, Graffiti sei keine Kunst. Was ist Kunst für dich?
- Kunst ist Geld, Ausverkauf, Art, Gallerie. Graffiti macht man auf der
Strasse. Natürlich macht man Graffitis auch auf Leinwand, das habe ich auch
schon gemacht. Da kann man besser experimentieren.
Kron zeigt mir gute und wenige gute Graffitis, Pieces. Gute wirken sehr
dynamisch, haben Perspektive, man meint, sie seien lebendig und könnten
jeden Moment davon springen. Bei den weniger guten sieht man, dass der
Sprüher nicht ganz frei, etwas verkrampft war.
- Man muss lernen, mit den Farben umzugehen. Hier, sieh, blau und grün sind
Farben, die nicht gut zusammengehen. Aber dieser Sprüher hat geschafft, eine
Wirkung damit zu erzielen. Toll!
Haben die Bilder eine Botschaft?
- Sie sind Selbstdarstellung. Writing My Name. Sie drücken die Gefühlslage
des Writers aus. Ich kann genau sehen, dem geht es heute gut oder der hat
gerade eine schlechte Phase. Früher hat man manchmal Messages
reingeschrieben. Stop The Violence oder so. Heute weniger. Es stehen eher
Widmungen oder Provokationen drin. Aber jeder kann die Bilder anders
sehen.
Wie bist Du auf Deinen Namen Kron gekommen?
- Der erste Dosenhersteller hiess Krylon. y und l hab ich weggelassen. Es hat
auch etwas mit Krone zu tun. Das bedeutet "höheres Niveau", ist aber auch
stachelig und aggressiv. Ausserdem gefallen mir einfach die Letters.
Bist Du Einzelgänger oder arbeitest Du in einer Crew?
- Ich bin in mehreren Crews, in Paris auch.
Haben sie auch Namen?
- Ja. CM (can monster), DFB (Da Force Brothers), CP (Cercle privé) in Paris
und Métissage (Mischling), eine Organisation in Paris, die Workshops
organisiert.
Wie alt bist Du?
- Ich werde 24.
Wie bist Du zum Hip-Hop gekommen?
- Ich habe schon mit neun Jahren angefangen. Mit Tanzen. Im St.Johann
haben Leute auf der Strasse getanzt. Ich habe Hip-Hop nicht über das
Fernsehen kennen gelernt. Ich bin hineingewachsen. Einer war mal in New
York und hat davon erzählt. Ich kannte nur das. Er tanzte wie ein Roboter, und
ich habe es auch probiert. Am Anfang war es nur Spass. Als ich 13 war, habe
ich ernst gemeint mit Breakdance und habe auch zu sprühen angefangen. Dann
hatte ich mal einen Autounfall, danach konnte ich nicht mehr tanzen und sprühe
nur noch. Eigentlich macht man im Hip-Hop nicht nur eine Sache, sondern setzt
sich für alle Elemente des Hip-Hop ein.
Wie hast du dich über Hip-Hop informiert?
- Ich habe Leute gefragt, die schon länger dabei waren und mehr Erfahrung
hatte. Ich war sehr neugierig und bin auch selber nach New York gegangen.
Bist Du zufällig in der Hip-Hop-Szene gelandet?
- Nein. Hip-Hop ist eine Bewegung der Unterschicht, von Leuten ohne Arbeit.
Früher waren es hauptsächlich Italiener, Spanier und Jugoslawen. In New York
waren es die Puerto-Ricaner. Kreativität sollte Schlägereien verhindern.
Hast Du Dich ausgegrenzt gefühlt?
- Man war ja eh unter sich. Viele suchten eine Identifikation.
Wie meinst Du das?
- Sie wollten etwas sein, wollten etwas machen, was Sinn gibt. Hip-Hop gab
vielen, was sie nicht hatten. Selbstbestätigung zum Beispiel. Stolz, Mut. Du
kannst etwas erreichen, wenn Du willst. Viele hatten Stress zu Hause. Nach
der Schule wussten wir nicht, was wir machen sollten und haben uns
gelangweilt. Ich hab das auch alles durchgemacht. Wir sind aufgefallen mit der
Kleidung, damals lief ja kaum jemand mit Jeans und Turnschuhen herum. Ab
und zu haben wir uns in Jugendtreffs getroffen, aber nur abends. Tagsüber
haben wir das Radio mitgenommen und auf der Strasse auf Kartons getanzt
oder im Park.
Kannst Du noch mehr über die Geschichte erzählen? Wann hat es in Basel
angefangen?
- In der Line ist 1983 das erste Bild entstanden. Ich glaub, es hiess "Sky", es
war (qualitativ) der Zeit angemessen. Damals konnte man nicht so viele andere
Bilder sehen und kam nur mühsam voran.
War es das erste Graffiti in Basel?
- Nein, das erste Bild 1981 wurde am Schulhaus St.Johann gesehen. Das hat
Zone gemalt. Er malt nicht mehr.
Kennst Du noch Namen der ersten Writer?
- Joe (Arsen), Posk, Rebell.
Am Anfang war Hip-Hop es ein
Verzweiflungsschrei. Wir wollten uns nicht ans System anpassen, wollten nicht
nur konsumieren. Wir wollten sagen, uns gibt es auch noch. Wir wussten nicht,
was wir machen sollten.
Es war schon extrem früher. In den Jugis trafen sich Leute aus zerrütteten
Familien. Man hat Zusammenhalt gesucht, den es in der Familie nicht gab.
Viele Jugendliche sind geflüchtet von den Problemen zu Hause, wollten ihre
Ruhe. Manche hatten Eltern, die Alkoholiker waren. Die Eltern sagten dann,
mit den Leuten darfst du nicht `rumhängen. Viele in der Szene sind nicht aufs
Gymnasium gegangen, stammen auch nicht aus reichen Verhältnissen.
Jetzt ist es in den Jugis viel gemischter, es sind auch mehr Schweizer darunter.
Jetzt ist Hip-Hop multikulturell. 1993/94 gab es einen Boom, Hip-Hop wurde
Mode. Wenn man früher nach Rap-Platten fragte, ist man sonst nur komisch
angeschaut worden. Viele haben ihre Platten in England oder in den USA
eingekauft. Es gab keine Infrastruktur.
Hip-Hop ist eine Lebensart, die prägt. Eine Sucht, eine Droge. Man kann es
nicht stoppen. Es ist nicht nur ein Hobby. Bist du damit aufgewachsen, nimmst
du es ernst und verzichtest auf anderes. Ein Problem ist, dass Leute aus dem
Kern nicht auffallen. Die Kleider, die Mode gehören nicht zum Hip-Hop. Ich
habe nur das an, was bequem ist.
Hip-Hop hat viele von uns schneller
erwachsen gemacht. Wir sind selbständiger geworden, kritischer, schauen, was
für einen selbst gut ist. Man lässt sich nichts mehr gefallen, jammert nicht nur
herum.
Manche betreiben sogar eine eigene Plattenfirma und sind Veranstalter von
Jams und Konzerten.
- Ja, wir wollen etwas erreichen und nicht nur konsumieren.
Aber was ist mit denjenigen, die es nicht schaffen, gut zu sein?
- Es geht nicht darum, gut zu sein. Du musst Ehrgeiz haben.
Kann es sein, dass diejenigen, die es nicht schaffen, rumschlägern, um sich
Respekt zu verschaffen?
- Hm. 1993 als Hip-Hop-Mode wurde, gab es immer wieder Gewalt auf Jams.
Sprühen ist das Element, das am härtesten ist. Die Jungen sehen nicht, was auf
sie zukommen kann. Wir hatten ja eh Stress, was kannst Du da verlieren,
dachten wir. Die Reicheren wollen nicht soviel riskieren. Der Stress hatte uns
auch stark gemacht. Ich denke, es gibt auch deshalb die Konflikte. Die Jungen
nehmen alles für selbstverständlich hin, was wir erst hatten erarbeiten müssen.
Wir sind in Hip-Hop auf der Strasse hineingewachsen und nicht in der Schule.
Breakdance im Sportunterricht gibt es ja sogar.
- Das gehört nicht in den Sportunterricht. Für die Schüler ist Breakdance dann
nur Sport. Es wird nicht mehr wie früher darauf geachtet, dass alle Elemente
des Hip-Hop vertreten sind. Man achtet nicht mehr aufs Ganze. Bei der Battle
of the Year zum Beispiel. Früher waren alle Elemente vertreten. Der Eintritt
war nicht teuer, wenn jemand von weither kam, musste er gar nichts zahlen. So
was geht jetzt nicht mehr. Jetzt sind da MTV und Viva. Früher kam gar nicht
jeder rein in einem Jam. Es war ganz normal, dass man gebreakt hat. Heute
staunen dann alle "Wow".
Warst Du an Black Tigers Birthday-Jam?
- Ja. Das waren alle Elemente vertreten. Das war der geilste Jam seit langem.
Alle haben sich gekannt, sie sind wegen Black Tiger gekommen. Es war wie in
einer Familie. ACE veranstaltet ab und zu im Z7 Jams. Da sind auch alle
Elemente vertreten. Wir kennen uns schon lange, wir sind Nachbarn.
Zur Zeit unseres Gespräches gab es Pläne, im Rahmen der Neugestaltung des
Bahnhofs SBB, eine Umgehungsstrasse über das Gelände des Jugis zu bauen.
Ich spreche ihn darauf an.
- Wenn sie die Strasse bauen, landen wir auf der Strasse. Da ist Stress
vorprogrammiert. Jetzt sind wir hier für uns, gut eingekesselt. Man trifft sich
hier und redet, besonders im Sommer, wenn alle vom Ausland zurück sind. Alle
sind zusammen, wir spielen Basketball. Jetzt wollen sie das abreissen? Das
Haus ist eh das Minimale. Die Stadt hat doch Geld, nur für die Jugend wird
nichts ausgegeben.
Wie ist denn die Stimmung unter den Jugendlichen?
- Schlecht. Sie denken, die da oben machen doch was sie wollen, dass
Jugendliche eh nichts zu sagen haben, am kürzeren Hebel sitzen. Da oben
sitzen nur alte Leute.
Zurück zu Dir. Arbeitest Du?
- Ich habe zwei Jahre als Autolackierer gearbeitet. Jetzt arbeite ich temporär
als Industrielackierer.
100%?
- Ja, in zwei Schichten, um die 40 Stunden die Woche.
Nebenher gehst Du Deinen Graffiti-Aufträgen nach...
- Ja, das sind aber nicht viele. Etwa 20 im Jahr. In Deutschland bekommt man
mehr. Viele können davon leben.
Hast Du schon Aufträge aus Deutschland bekommen?
- Ja, zum Beispiel einmal von Hertie in Lörrach, von der Inlineskate-Abteilung.
Ich hab mich schon gefragt, ob ich nach Deutschland ziehen sollte. In der
Schweiz kann man nicht vom Sprühen leben. Ich bin wegen Aufträgen viel
gereist.
Wohin?
- Regelmässig bin ich in Deutschland an der Grenze: Lörrach, Weil und in
München. Ab und zu bekomme ich Aufträge in Paris. Eine
Hip-Hop-Organisation macht da Workshops und so eine Art Projektwochen mit
Hintergrund über Hip-Hop.
Wie kommst Du an die Aufträge?
- Ich werde weiterempfohlen von Kollegen. Oder Kollegen, die einen Auftrag
bekommen haben, melden sich bei mir und sagen, "Teilen wir die Kohle".
Aufträge bekomme ich von grossen Firmen aus Industrie und Chemie zur
Gestaltung ihrer Fassaden. Ich hab auch schon bei einer Kleidermesse von
Nike gesprüht.
Sprühst Du für jede Firma?
- Ich schaue schon - wenn ich denke, der Auftrag bringt mich weiter, klar. Für
Dosenfabrikanten sprühe ich gerne. Nike ist auch gut - Sport. Ich muss malen
können, was ich will.
Dein Job ist nur eine Notlösung?
- Ja, man ist ja vom Geld abhängig. Ich würde es lieber anders verdienen.
Was ist Deine Nationalität?
- Ich bin Spanier der zweiten Generation.
Was machen Deine Eltern?
- Mein Vater ist Mechaniker, meine Mutter Putzfrau im Kantonsspital.
Arbeiterklasse halt. Meine Schwester arbeitet in der Bank.
Wie denken deine Eltern über Deine Aktivitäten in der Hip-Hop-Szene?
- Schlecht. Sie haben schon Skizzen von mir vernichtet. Sie sagen, du bist nur
geduldet in der Schweiz, du darfst nicht auffallen. Meine Mutter hat aber mal
einen Graffiti von mir gesehen und fand ihn ganz schön. Aber ich leb mein
Leben wie ich will. Ich war nie der Bravste (lacht).
Woher kommen deine Freunde und Kollegen?
- Von überall her (Pause). Nationalität ist egal. Ich kann zwar mit manchen
Religionen wie dem Islam nichts anfangen, aber es kommt auf den Menschen
an. Der Kern der Szene ist gut gemischt.
Kannst Du ein paar Nationalitäten Deines Freundeskreises aufzählen?
- Spanien, Italien, Dänemark, USA, ein paar Schweizer, aus Ex-Jugoslawien,
München, Paris, Algerien.
Lebst Du gerne in Basel?
- Basel ist zu klein. Es gibt nur eine Strasse (Steinen), wo am Samstag etwas
los ist.
Woran fehlt es?
- An Räumlichkeiten, um etwas selber zu machen. Früher war es noch
schlimmer. Da war Mitternacht alles zu. Jetzt gibt es ja sogar Nachtbusse.
1993/94 gab es eine Ausgangssperre für Jugendliche. Besonders auf
Hip-Hopper hat es die Polizei abgesehen, auf Leute mit Turnschuhen und
Kapuzenpulli. Das betraf alle unter 18 nach 23 Uhr. Es gab eine Schlägerei
beim Hirschi.
Du bist ja immer viel unterwegs. Wo überall?
- Auf Hip-Hop-Jams in USA, Schweden, Italien, Frankreich, Deutschland,
Österreich, Dänemark, Holland, Griechenland. Wenn ich Ferien hab, schaue
ich: Wo geht etwas Hip-Hopmässig ab?
Das Tolle: Ich war schon oft in
Städten, wo ich niemanden kannte, wo ich nicht wusste, wo ich schlafen konnte.
Es ist so einfach. Du triffst Leute und sie sagen "Penn bei mir". Hip-Hop
schweisst zusammen. Es ist wie in einer Familie. Ich reise billig, es sind nur
Fahrtkosten. Die Städte sieht man nicht wie ein Tourist. Man lebt in ihr, man
ist gleich akzeptiert. Im Januar war ich in München. Ich traf Leute aus
Australien, Moskau, Jugoslawien, die alle kein Geld haben, es
zusammengerafft haben, um herzureisen. Sie waren bereit, Opfer zu bringen.
Bleibt da nicht der Beruf oder die Ausbildung auf der Strecke?
- Man muss es richtig einteilen. Ich mache es neben der Arbeit. In
Deutschland war ich viel mit dem Wochenendticket unterwegs.
Surfst Du auch im Internet?
- Ein paar Kollegen machen es. Ich habe es mal bei ihnen probiert. Sollte ich
mir vielleicht anschaffen?
Liest Du Hip-Hop-Zeitschriften?
- Nein, das ist mehr für die Konsumenten. Ich habe einmal ein Video gedreht
über Breakdance und Graffiti und es an Jams verkauft.
Was planst Du für die Zukunft?
- Ich will viel reisen und mich verbessern. 100%ig werde ich wohl nie aufhören.
Hip-Hop ist ein Teil von mir. Einen Teil hab ich Jüngeren schon
weitergegeben, ein Teil von mir lebt also schon weiter. Ich werde sicher mal
eine Familie gründen. Aber das sieht man dann noch. Ich lebe heute und
morgen. Was nutzt es, wenn ich Geld für später spare, wenn es mir heute
schlecht geht?
Haben wir noch ein Thema vergessen? Was sind Gesprächsthemen in der
Szene?
- Die Jungen zeigen keinen Respekt mehr. Sie kaufen sich Klamotten und
meinen, sie seien cool. Besonders die Älteren regen sich auf. Polizeistress. Es
läuft fast nichts mehr in der Stadt deswegen.
Aber ist das nicht arrogant den Jungen gegenüber? Brauchen sie nicht Zeit
zum Reinwachsen?
- Sie meinen, sie seien die Könige. Wir hatten damals noch Respekt vor den
Älteren. Heute nimmt man alles für selbstverständlich.
Ein Kollege schaltet sich ein:
- Das ist nicht nur im Hip-Hop so. Die Jungen sind alle frecher geworden. Das
liegt an den Medien.
Kron:
- Sie wissen nicht über Hip-Hop Bescheid und geben nur an.
Kollege:
- Wenn man sieht, dass ein Junger etwas macht, wird er sofort akzeptiert.
Nicht jedoch, wenn man sieht, dass er sich aufspielt und nur die Musik hört.
Es kann nun mal nicht jeder alles so gut.
Kron:
- Der Wille muss da sein.
Werden die Jungen denn eingeführt? Wie kommt man rein in die Szene?
Kollege:
- Das geht von selber. Man sieht Bilder von anderen und beginnt an sich zu
arbeiten. Jeder, der etwas macht, ist drinnen. Entscheidend ist, ob man
Hip-Hop nur aus den Medien kennt oder ob man in der Stadt ins Hip-Hop
reingewachsen ist.
Kron:
- Es kommt auf den Charakter an. Was man macht, was man ist. Es gibt auch
keine fixe Hierarchie. Entscheidend ist nur dein Ehrgeiz.
UPDATE:
Der Meister der Totenköpfe (Nach über 20 Jahren an der Dose präsentiert Kron mit «Still Standing» seine erste Solo-Ausstellung, Basler Zeitung 16.11.2012)
Interview mit Kron, wo man auch einige seiner Werke sieht, ab 5:30min. Video aus dem Jahr 2015.